In dieser Lerneinheit lernen Sie verschiedene Methoden der Sozialraumanalyse kennen, die sich als Instrumente in der (partizipativen) städtischen Jugendarbeit auf Quartiers- und Stadtteilebene etabliert haben.
Wie aus LE03 bekannt, ist „mit 'Sozialraum' nicht nur ein sozialgeografisch begrenzter Raum, wie z. B. ein Stadtteil oder eine Region gemeint. Spricht man vom Sozialraum, so bezieht sich das auf einen sozial konstruierten Raum: einen Lebensraum und sozialen Mikrokosmos, in dem sich gesellschaftliche Entwicklungsprozesse manifestieren […]. Der soziale Raum definiert sich ständig neu, von den virtuellen Räumen hin zur gelebten Nachbarschaft, von der globalen Dimension hin zur überschaubaren Lebenswelt“ (Hofinger 2018: o.S.). Frank Eckardt, Professor für Sozialwissenschaftliche Stadtforschung der Bauhaus-Universität Weimar, versteht Sozialraum hingegen wie folgt: „Für uns sind Sozialräume Orte, an denen Menschen auf die eine oder andere Weise zusammen leben. Sozialräume sind von daher keine funktional zu definierenden Räume, die sich etwa von Wohnräumen, Verkehrsflächen oder wirtschaftlich genutzten Orten abgrenzen lassen. An allen diesen Orten leben Menschen mit anderen zusammen und haben diese für sie eine Bedeutung. Aus diesem Grunde können potentiell alle Orte Teile meines Sozialraums sein, wenn diese für mein Leben mit anderen wichtig sind. Der Wohnraum kann weniger wichtig sein, weil dort keine sozialen Kontakte bestehen, als beispielsweise die Tankstelle oder der Sportverein. Sozialräume überschreiten von daher die Grenzen eines geographisch-physischen Ortes und seine Funktionalität” (Eckardt 2015: o.S.). Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel „sozialräumlicher Verfahren […], Verständnis dafür zu entwickeln, wie die Lebenswelten Jugendlicher in engem Bezug zu ihren konkreten Sozialräumen, zu ihren Treffpunkten, Orten und den Institutionen stehen. Außerdem machen sie deutlich welche Ressourcen, Sinnzusammenhänge, Freiräume oder auch Barrieren Jugendliche in ihrem räumlichen Umfeld erkennen” (Deinet 2018: o.S.). Dabei werden Kinder und Jugendliche selbst als „Expert/-innen ihrer eigenen Sozialräume und Lebenswelten angesprochen“ (Krisch 2018: o.S.).
Wie lässt sich die sozialräumliche Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen erforschen?
Es gibt ein breites Methodenset, um Kinder und Jugendliche darin zu unterstützen, ihre sozialräumliche Lebenswelt zu entdecken, bzw. hierüber systematisch Informationen und Daten zu gewinnen. Dies kann z.B. im Rahmen von Stadtteilbegehungen, mittels Nadelmethode, subjektiven Kartierungen, Autofotografie oder mittels Cliquenrastern und Zeitbudget u.v.a.m. geschehen (vgl. Krisch 2009). Kinder und Jugendliche erhalten dabei auch die Gelegenheit ihrer Meinung und ihren Bedürfnissen Ausdruck zu verleihen. Weiterführend eröffnet sich daraus Möglichkeit Kinder und Jugendliche an Raumplanungs- und -gestaltungsprozessen zu beteiligen. Mittels Methoden der qualitativen Sozialforschung können sozialräumliche Zusammenhänge zwischen Deutungen und Handlungen von Kindern und Jugendlichen aufgedeckt und mit gesellschaftlichen Funktionszuschreibungen abgeglichen werden. Dabei können sich Spannungsfelder, Interessens- und Nutzungskonflikte herauskristallisieren. In diesem Kontext ist die Sozialraumanalyse somit auch als eine „systematische, wissenschaftliche Technik“ zu verstehen, mit der sowohl die physischen (gebaute Umwelt) als auch die sozialen Dimensionen (Entstehungs- und Aneignungsprozesse sowie der soziale Austausch im gebauten Raum) von Räumen erfasst und beschrieben werden. Ziel ist es, Erkenntnisse über die Zusammenhänge von gebauter Umwelt und sozialem Handeln zu erkennen.“ (Hertzsch 2018: o.S.)