M03-1: Gesellschaftliche und politische Partizipation

Der Begriff der Partizipation geht aus dem lateinischen „particeps“ hervor. Partizipation gilt als konstitutives Merkmal der Demokratie und beinhaltet sowohl die Teilnahme an politischen Entscheidungsprozessen als auch die Teilhabe an der Gestaltung von Gesellschaft (Schnurr, 2011). Entlang der Idee der „Teilhabe aller an allen Entscheidungsprozessen“ (Miessen & Grassegger, 2012, S. 7) wird der Begriff unterschiedlich definiert. Der gemeinsame Nenner der verschiedenen wissenschaftlichen Zugänge liegt in der Frage danach, wie die Bürger*innen auf verschiedenen Ebenen aktiv Einfluss auf politische und gesellschaftliche Entscheidungsprozesse nehmen können (Moser, 2010).

Demnach wird in der Partizipationsforschung grundlegend zwischen der sozialen bzw. gesellschaftlichen Partizipation und der politischen Partizipation differenziert. Während aus einer soziologischen Perspektive „die Rolle der Individuen und ihre Einbindung in Entscheidungs- und Willensbildungsprozesse“ (ebd., S. 87) sowie Partizipationsformen fokussiert werden, konzentriert sich die politikwissenschaftliche Partizipationsforschung auf „Bürger[*innen], die als Gruppe oder allein freiwillig Einfluss auf politische Entscheidungen auf verschiedene Ebenen des politischen Systems (Kommune, Land, Bund und Europa) ausüben“ (Woyke, 2020, S. 1).

Die soziale, gesellschaftliche Dimension von Partizipation umfasst das bürgerschaftliche (meist ehrenamtliche) Engagement innerhalb und Mitgestaltung der Zivilgesellschaft (Gohl, 2001). Gemeint sind damit Beteiligungsformen, die über die private Sphäre und rein private Belange hinausgehen und entweder kollektiv – in Hilfsorganisationen, Sportvereinen, kirchlichen Verbände, Bürgerinitiativen oder anderen sozialen Bewegungen – ausgeübt werden oder sich an Kollektive richten (Roßteutscher, 2009). Sie vermittelt über die eigentliche(n) Tätigkeit(en) hinaus soziale Kompetenzen und demokratische Werte und Normen und wirkt sich politisch mobilisierend aus (ebd.). Die soziale Partizipation, das gegenseitige Kennen und Anerkennen, die Interaktion sowie die gelebte soziale Praxis bilden letztlich das soziale Kapital eines Individuums (Bourdieu, 2012).

Innerhalb der politischen Partizipation wird zwischen formellen bzw. konventionellen, gesetzlich geregelten und informellen, unkonventionellen, nicht verfassten Formen der Einflussnahme auf politische Entscheidungsprozesse differenziert (Woyke, 2020). In Abhängigkeit davon, wer die Teilhabe an Aushandlungs- und Entscheidungsprozessen anregt, ein- und anleitet, wird zudem zwischen der “top-down”, von Entscheidungsträger*innen initiierten Beteiligung und der “bottom-up”, von der Bevölkerung bzw. Betroffenen ausgehenden und selbstorganisierten Partizipation differenziert. Nach Voss (2014) sind bottom-up- und top-down-Verfahren dabei als “sich ergänzende Teilbereiche politischer Partizipation“ (S. 11) zu verstehen.

Während die soziale Partizipation auch als „Massenphänomen“ (Roßteutscher, 2009, S. 164) bezeichnet wird, ist die politische Partizipation geprägt von der Ambivalenz zwischen einer steigenden Protestkultur – siehe Stuttgart 21, Neueröffnung der EZB oder auch Hambacher und zuletzt Dannenröder Forst – einerseits und einer wachsenden Verdrossenheit gegenüber formellen politischen Prozessen andererseits, die sich auch an dem Rückgang der Wahlbeteiligung und der steigenden Kritik gegenüber Politiker*innen, insbesondere in den sozialen Netzwerken, ablesen lässt.

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