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M04-6: ZEIT-Artikel - Abschnitt 5

Textauszug 5 aus dem Text "Die Hungertreiber. Ist Biosprit aus essbaren Pflanzen das ökolo-gische Patentrezept?" von HANS SCHUH aus der Wochenzeitschrift »Die Zeit« vom 23. August 2012.

„Mehrere Studien, von der EU in Auftrag gegeben, warnen davor, dass ILUC-Effekte massiv sein können. So könnte Europas expansive Biospritnutzung bis 2020 weltweit Flächen zerstören, deren Größe die von halb Belgien übertrifft. Vor allem für Biodiesel aus Palmöl, Soja und Raps würden die Treibhausgasbilanzen nicht mehr den Anforderungen entsprechen, der Effekt läge nahe bei null oder würde gar negativ.

Zieht man in Betracht, dass eine Ökobilanz nicht nur den Klimaschutz, sondern auch den Arten-, Boden- und Gewässerschutz sowie den Wasserverbrauch in ariden Ländern berücksichtigen müsste, wird klar: Eine seriöse Zertifizierung ist eine mission impossible. Deshalb sollte die EU ihre bioenergetischen Expansionspläne an den Nagel hängen und im Zweifel der Nahrungsproduktion den Vortritt lassen, nach dem Vorbild chinesischer Ethik.

Doch was ökologisch naheliegt, ist politisch nicht durchsetzbar. Eine von ihren eigenen Subventionen gefesselte Politik ist zum vorweisbaren Erfolg verurteilt und hält dabei krampfhaft an überholten Konzepten fest.

Ausgerechnet die Klimaschutzschwächen des Biospritkonzepts erzürnen schon jetzt die Autolobby. Sie hatte darauf gesetzt, dass ihre verbrauchsintensiven Produkte mit einem Sprit gefüttert werden, der weniger CO# ausstößt. Auch dank dieser indirekten Klimahilfe konnten die Autohersteller aushandeln, dass ihre Fahrzeuge bis 2015 im Durchschnitt 130 Gramm CO# pro Kilometer ausstoßen dürfen – ursprünglich waren strengere 120 Gramm pro Kilometer gefordert. Wer gegen diese Auflagen verstößt, muss hohe Strafen bezahlen. Erweist sich nun der Biosprit als Klimaflop, müsste neu gerechnet werden.

Ohnehin muss eine unrühmliche Geschichte neu aufgerollt werden. Als die EU im April 2009 ihre Richtlinie für erneuerbare Energien und damit die expansive Biospritpolitik verabschiedete, hatte die erste große Hungerrevolte bereits stattgefunden. Es hatte viele Diskussionen gegeben, wie das Problem der wachsenden Konkurrenz zwischen Tank und Teller zu umgehen sei. Als Lösung des Dilemmas galten neben strengen Vorschriften zur Nachhaltigkeit der Produktion Biotreibstoffe der zweiten Generation. Diese sollten nicht aus essbaren Feldfrüchten, sondern aus Abfallstoffen wie Stroh oder Holzresten entstehen.

Ein Vorzeigeprojekt der Biomasseverflüssigung war die Anlage der Firma Choren im sächsischen Freiberg, an der VW, Daimler und Shell beteiligt waren. Das Projekt wurde 2008 mit hoch dotierten Umweltpreisen ausgezeichnet, verschlang viele Fördermillionen – und ging 2011 pleite.“

courses/sus/biosprit/material/m04-6.txt · Zuletzt geändert: 2016/06/20 17:46 von deka