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LE03: Räumliche Sozialisation I

Diese Lerneinheit befasst sich mit den theoretischen Grundlagen der räumlichen Sozialisation von Kindern und Jugendlichen.

Inhalte der Lerneinheit

  • Einführung Sozialisationstheorie(n) und -modelle
  • Definition und Merkmale des städtischen Sozialraums
  • Verlauf und Merkmale der psycho-sozialen Entwicklung und räumlichen Sozialisation von Kindern und Jugendlichen

Voraussetzungen für die Lerneinheit

  • Laptop oder Tablet

Materialien

Lernergebnisse und Kompetenzen

  • Sie können zentrale Begriffe des sozialräumlichen Konzepts, wie z.B. psycho-soziale Entwicklung, räumliche Sozialisation und Sozialraum, inhaltlich wiedergeben.
  • Sie können unterschiedliche Ansätze des sozialräumlichen Konzepts diskutieren: materialistische Aneignungstheorie (Leontjew), sozial-ökologische Ansätze (Lebensraumanalyse, M. Muchow; Zonenmodell, D. Baacke; Inselmodell, H. Zeiher), neue soziologische Ansätze, (Spacing, M. Löw).
  • Sie können sozialräumliche Entwicklungsmodelle zeichnen und erläutern.
  • Sie können Formen und Merkmale räumlicher Sozialisationsprozesse bei Kindern und Jugendlichen erklären und diskutieren.

Zum Begriff der (räumlichen) Sozialisation

Bereits der französische Soziologe Emile Durkheim (1858-1917) ging im Rahmen der Untersuchung des Übergangs von “einfachen zu arbeitsteilig organisierten Industriegesellschaften” der Frage nach, wie in komplexen Strukturen soziale Integration hergestellt werden könne (Hurrelmann 2002: 11). In der Untersuchung der Relation von Mensch und Umwelt verstand Durkheim Sozialisation als “Vergesellschaftung der menschlichen Natur” (S. 11f.), die als Vereinnahmungsprozess der Persönlichkeit gesehen werden könne. In den 1960er Jahren setzte eine Diskussion über die Notwendigkeit einer Neudefinition des Sozialisationsbegriffs ein. Zahlreiche Kontroversen “über das Verhältnis von Vergesellschaftung und Individualisierung” (S. 15), die sich während der Studentenunruhen von 1968 weiter zuspitzten, brachten dem Diskurs eine enorme Aufmerksamkeit ein. Nach heutigem Verständnis beschreibt der Begriff der Sozialisation “den Prozess, in dessen Verlauf sich der mit einer biologischen Ausstattung versehene menschliche Organismus zu einer sozialen, handlungsfähigen Persönlichkeit bildet, die sich über den Lebenslauf hinweg in Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen weiterentwickelt” (ebd.). Diese Definition resultiert aus der Frage danach, wie sich menschliche Persönlichkeiten entwickeln und welchen Einfluss darauf unter anderem die Umwelt hat. Der Sozialwissenschaftler Ulrich Deinet stellt in diesem Zusammenhang die These auf, “dass sich die konkreten Verhältnisse unserer Gesellschaft, so wie sie Kinder und Jugendliche erleben, vor allem räumlich vermitteln” (Deinet 2005: 35), da der Aneignungsprozess für Kinder und Jugendliche “quasi eingebettet in den „Raum“ unserer Gesellschaft [und] in die durch die Strukturen der Gesellschaft geschaffenen konkreten räumlichen Gegebenheiten” (ebd.) sei. Weil Raum in der Regel nicht naturbelassen, sondern vom Menschen geformt sei, würden insbesondere Kinder und Jugendliche sich Räume “und die in ihnen enthaltenen Bedeutungen “genauso aneignen wie Gegenstände und Werkzeuge der unmittelbaren Umgebung” (ebd.). Hierzu korrespondierend fragt die humangeographische Forschung, die unter räumlicher Sozialisation allgemein die aktive Tätigkeit der Aneignung der vom Menschen gestalteten, bearbeiteten und veränderten Umwelt versteht, wie und wodurch sich das Bewusstsein für die Funktion, Nutzung und Bedeutung von Gegenständen und Symbolen der materiellen Umwelt entwickelt bzw. gefördert wird (vgl. Hopfinger 2007: 1).

Basislektüre

  • Deinet, U. (2005): „Aneignung“ und „Raum“ - zentrale Begriffe des sozialräumlichen Konzepts. In: Deinet, U. (Hrsg.): Sozialräumliche Jugendarbeit, Grundlagen, Methoden und Praxiskonzepte: 27-58. Wiesbaden (VS Verlag für Sozialwissenschaften).
  • Hurrelmann, K. (2002): Einführung in die Sozialisationstheorie. Weinheim & Basel (Beltz). ⇒ [Sozialisation als produktive Verarbeitung der Realität: 11-23]

Hungry Minds

  • Zinnecker, J. (2001): Stadtkids. Kinderleben zwischen Straße und Schule. Weinheim & München (Juventa Verlag). ⇒ [Erlebnis und Abenteuer. Die Straße als Lebensraum: 81-103]
  • Ahrend C. (1997) Lehren der Straße. Über Kinderöffentlichkeiten und Zwischenräume. In: Ecarius J., Löw M. (eds) Raumbildung Bildungsräume.: 197-212. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden,
  • Zeiher, H. (1990): Organisation des Lebensraums bei Großstadtkindern - Einheitlichkeit oder Verinselung?. In: Bertels, L. und U.Herlyn (Hrsg.): Lebenslauf und Raumerfahrung: 35-57. Opladen (Leske + Budrich).
courses/studierende/l/ps-raumsoz/lerneinheit/le03.txt · Zuletzt geändert: 2019/04/04 19:24 von uwesch