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LE11: Countermapping
Diese Sitzung widmet sich der Wirkmächtigkeit kartographischer Gegendarstellungen, die als Ausgangspunkt gesellschaftlicher Veränderungen wirksam werden können: Counter Maps. Sie lernen zunächst die theoretischen Hintergründe von Counter Maps kennen, um anschließend Beispiele von Countermapping zu analysieren.
Inhalte der Lerneinheit
- Kritische Geographie und Counter Mapping
- Beispiele von Countermaps
Materialien
Lernergebnisse und Kompetenzen
Nach Abschluss der Lerneinheit können Sie…
- Beispiele von Countermaps beschreiben.
- Dekonstruktion durch Countermaps bezüglich Zielstellung und Ideologie analysieren.
Kritische Geographie und Counter Mapping
Geht man davon aus, dass der Umgang mit Karten eine „Kulturfertigkeit“ ist (vgl. Strobl 2009), so gilt es als Geographielehrer*in, im Unterricht das Lesen der Karten anhand der verwendeten Zeichen und Symbole zu schulen. Implizit wird hierbei vorausgesetzt, dass eine absolute Aussage, oder Wahrheit, in der Karte enthalten ist, die sich durch zielgerichtete Analyse erschließen lässt. An dieser Stelle würden kritische Geograph*innen, bzw. kritische Kartograph*innen, widersprechen. Stattdessen liegt ihrem Verständnis ein Auffassen von „Raum“ als soziale Konstruktion zugrunde: Das bedeutet, dass erst die Zuweisung von Bedeutung an bestimmte physisch-materielle Gegebenheiten Regeln für soziale Handlungen in diesen Räumen festlegt (vgl. Werlen 1995). In diesem Kontext entstehen kartographische Darstellungen, die wiederum diskursive Macht entfalten können, wenn sie dominante Bedeutungszuweisungen reproduzieren. Karten können folglich nicht außerhalb von Machtstrukturen existieren, die gesellschaftliche Diskurse (vgl. z.B. Foucault 1999) strukturieren (Halder & Michel 2018: 13). Vielmehr sind Karten von bestimmten Autor*innen hergestellte Bilder, denen Harley (1989) in seiner „Dekonstruktion der Karte“ jede Neutralität abspricht. Ähnlich äußert sich Wood (1993), der betont, dass Karten eben auch nur historisch und gesellschaftlich gewachsene Zeichen anwenden, durch die die getroffene Aussage über eine – subjektive – Realität „naturalisiert“ und somit alternativlos wird (ebd.: 2).
Dieser kritische Blick auf die Subjektivität von Karten wird durch Counter Mapping produktiv angewendet. Mit dem Ziel, dominante Diskurse zu dekonstruieren, Machtstrukturen sichtbar zu machen und die Perspektivität kartographischer Darstellungen zu illustrieren, können Counter Maps sehr unterschiedliche Erscheinungsbilder annehmen (vgl. Halder & Michel 2018). Dabei stellen Halder und Michel (2018: 18) fest, dass der gemeinsame Nenner aller Counter Maps darin besteht, dass sie aus einem (oder mehreren) bestimmten Beweggründen entstehen. Hier lässt sich folgern, dass Counter Maps nicht den Anspruch erheben, objektiv Ausschnitte der Welt abzubilden. Vielmehr nutzen sie unterschiedliche Darstellungsformen aktiv, um soziale, gesellschaftliche oder politische Disparitäten aufzuzeigen und Alternativen in (räumliche) Konflikte, Diskussionen oder scheinbar unveränderliche Zustände einzubringen.
Auch im Geographieunterricht kann Counter Mapping genutzt werden, um die Subjektivität von (Raum-)Wahrnehmung zu adressieren und Prozesse der aktiven Beteiligung an Veränderungen einzuführen.
Literatur:
- Foucault, M. (1999): Botschaften der Macht: Reader Diskurs und Medien. Stuttgart: DVA.
- Halder, S. & B. Michel (2018): Editorial. This Is Not an Atlas. In: This is not an atlas. A global collection of counter-cartographies. Kollektiv Orangotango + (Hrsg.), 12-21. Bielefeld: transcript. PDF-Link.
- Harley, J.B. (1989): Deconstructing the map. Cartographica H.2, 1-20.
- Strobl, J. (2009): Kartographie als Benutzerschnittstelle für Geoninformation. In: Kriz, J., W. Kainz & A.Riedl (Hrsg.): Geokommunikation im Umfeld der Geographie. Wien: Institut für Geographie und Regionalforschung.
- Werlen, B. (1995): Sozialgeographie alltäglicher Regionalisierungen. Band 1: Zur Ontologie von Gesellschaft und Raum. Stuttgart: Steiner.
- Wood, D. (1993): The power of Maps. London: Routledge.