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M07-2: Strukturgitter

Wie bekomme ich den Fall in den Griff? Ein Vorschlag zur Strukturierung von raumordnungspolitischen „Fällen“ für den Unterricht

Raumordnungspolitische „Fälle“ (z.B. Transrapid, Talsperre Leibis) sind hochkomplex. Insbesondere dann, wenn die Widersprüche zwischen Struktur und System (engl. Politics) und Politik Machen (engl. Policy making) im Unterricht thematisiert werden sollen. Wenn ein konkreter Fall im Rahmen des Unterrichtsthemas Raumordnung behandelt wird, dann ist es unmöglich ihn in all seinen Facetten zu behandeln (vgl. M07-1). Zweckmäßig für die Planung des Unterrichtes ist es aber, sich einen Überblick über die möglichen Aspekte, die im Unterricht behandelt werden könnten, zu verschaffen. Einen Vorschlag zur Strukturierung von komplexen Fällen aller Art ist das „Didaktische Strukturgitter“ (vgl. Rhode-Jüchtern, 1997). Durch die Verknüpfung von gesellschaftstheoretisch angeleiteten fachwissenschaftlichen Kriterien (senkrecht) und didaktischen Kriterien (waagerecht), kann das Strukturgitter einen hilfreichen Dienst zur Strukturierung und Transparentmachung auch von raumordnungspolitischen Fällen für den Unterricht leisten; man legt vor dem Hintergrund aller möglichen Aspekte seine eigenen Schwerpunkte fest, gleicht diese mit den vorhandenen Materialien ab und entwirft abschließend eine Unterrichtseinheit.

Didaktisches Strukturgitter, wobei die Ziffern für ausgewählte Aspekte stehen (Abbildung nach Rhode-Jüchtern, 1977).

In der linken Spalte des Strukturgitters sind gesellschaftsrelevante Kriterien, die in Wechselwirkung stehen, aufgelistet. Diese Kriterien spiegeln Themen wieder, die jeweils im Rahmen eines raumordnungspolitischen Falles exemplarisch im Unterricht behandelt werden können. Anhand dieser Checkliste kann eine fachwissenschaftliche Schwerpunktsetzung erfolgen. Wenn die fachwissenschaftliche Schwerpunktsetzung erfolgt ist, besteht durch die zweite Dimension des Strukturgitters, den didaktischen Kriterien, die Möglichkeit festzulegen, mit welchem Anspruchsniveau die Schüler*innen den fachwissenschaftlichen Schwerpunkt bearbeiten sollen – beschreibend, analytisch oder bewertend.

Ein kleines Beispiel soll zeigen, wie das Strukturgitter angewendet werden kann. Ich wähle als Lehrkraft für den Geographieunterricht den Fall „Transrapidstrecke Hamburg-Berlin“, den ich in einer Unterrichtseinheit behandeln möchte. Ein Entwurf dieser Unterrichtseinheit soll exemplarisch zeigen, wie mit Hilfe des didaktischen Strukturgitters eine Unterrichtseinheit geplant werden kann.

Wenn ich als Lehrperson eine Unterrichtseinheit entwerfe, dann geschieht dies u.a. auch immer in Abhängigkeit von den Vorgaben der Bildungsstandards und des Kerncurriculums und den zur Verfügung stehenden Materialien. Für diesen Entwurf habe ich zuerst in das Kerncurriculum geschaut und mir einen Überblick verschafft, welche Inhaltsfelder in der Sekundarstufe I behandelt werden sollen. Das Fallbeispiel “Transrapidstrecke Hamburg-Berlin” kann am besten im Rahmen des Inhaltsfelds “Geographie auf regionaler Ebene” behandelt werden. Aufgrund der Komplexität des Fallbeispiels liegt nahe, dieses zum Ende der Sekundarstufe I (Klasse 10) zu behandeln.

“Bei diesem Inhaltsfeld stehen die Regelhaftigkeiten und Gesetzmäßigkeiten ebenso wie die Besonderheiten, die bestimmten Raumausschnitten eigen sind, im Zentrum der Betrachtung. Je nach Untersuchungsinteresse ergeben sich am Beispiel von Räumen bzw. Raumausschnitten unterschiedliche problemorientierte Fragestellungen. Diese beziehen sich letztlich immer auf Umwelt-Gesellschaft-Beziehungen. Zum besseren Verständnis und zur eindeutigeren Erkenntnis werden ggf. in den Teilbereichen ablaufende natürliche oder gesellschaftliche Prozesse bzw. anzutreffende Strukturen fokussiert. Dies ermöglicht das Abschätzen zukünftiger Entwicklungen dieser Räume oder Raumausschnitte. Die Auseinandersetzung mit den unmittelbar zu erwartenden und späteren Folgen von Eingriffen des Menschen in die Umwelt oder die Auswirkungen von natürlichen Prozessen führt zu einer sachgerechten Einschätzung dieser Folgen und resultiert gegebenenfalls in Konsequenzen für das persönliche Handeln”(HKM, 2011).

Danach habe ich mir mit Hilfe der Checkliste des didaktischen Strukturgitters noch einmal alle möglichen Aspekte, die im Rahmen eines raumordnungspolitischen Falles behandelt werden könnten, vor Augen geführt. Anschließend habe ich mich im Internet auf die Suche nach Materialien gemacht. Nachdem ich mir einen Überblick über die zur Verfügung stehenden Materialien verschafft hatte, habe ich die Unterrichtseinheit mit Hilfe des didaktischen Strukturgitters geplant und bin zu folgendem Ergebnis gekommen:

Mein Unterrichtsziel ist es, dass die Schüler*innen das formalen Verfahren eines raumordnungspolitischen Planungsprozesses kennen lernen, die Konkurrenz unterschiedlicher Technologien und räumlicher Leitbilder wahrnehmen und diese vergleichen, um abschließend zu dem Sachverhalt, dass diese Transrapidstrecke nicht gebaut wird, Stellung beziehen. In das Strukturgitter habe ich hierfür die gewählten Aspekte, Schwerpunkte und deren Reihenfolge im Unterricht eingetragen (vgl. Strukturgitter). Der Unterricht beginnt mit der Vorstellung der Magnetschwebebahn als technische Innovation (1). Daran anschließend sollen die Schüler*innen den Zeitgewinn und die Umweltfolgen des Transrapid im Gegensatz zu anderen Verkehrsmitteln (Bahn, Flugzeug und Auto) vergleichen (2). Darauf aufbauend werden die raumordnungspolitischen Leitbilder Deutschlands vorgestellt (3) und auf den konkreten Fall bezogen analysiert (4). Danach wird das formale Verfahren eines raumordnungspolitischen Planungsprozesses vorgestellt und aufgezeigt, auf welcher Ebene das „Aus“ für den Transrapid kam (5). Abschließend sollen die Schüler*innen den Sachverhalt, das die Transrapidstrecke nicht gebaut wurde, vor dem Hintergrund der bisherigen Unterrichtsinhalte diskutieren (6). Dies ist ein möglicher roter Faden für die Unterrichtseinheit.

Dieses kleine Beispiel zeigt, wie das Strukturgitter angewendet werden kann. Offen ist jedoch noch, wann und warum man welche Schwerpunkte setzt. Dies leitet sich einerseits von den inhaltlichen Vorgaben der Lehrpläne oder aktuellen Ereignissen ab, andererseits zeigt die Schulpraxis aber auch, dass dem zur Verfügung stehenden Material eine nicht zu unterschätzende Bedeutung bei der Auswahl der Inhalte und der didaktischen Umsetzung zukommt. Vor diesem Hintergrund ist es auch durchaus denkbar, dass zuerst die zur Verfügung stehenden Materialien gesichtet werden, um daraufhin die inhaltlichen Schwerpunkte und die didaktische Umsetzung in das Strukturgitter einzutragen. Damit wird festgelegt, welche Aspekte überhaupt bearbeitet werden, um einen Fall zu ordnen und wo man Prioritäten gesetzt hat; zugleich bleibt sichtbar, welche Aspekte es außerdem gibt, die aber für diesmal nicht ausgewählt und bearbeitet werden.

Quelle: überarbeitet nach Kanwischer, D. (2004): Selbstgesteuertes Lernen, E-Learning und Geographiedidaktik. Grundlagen, Lehrerrolle und Praxis im empirischen Vergleich. Mensch und Buch Verlag. Berlin. S. 272 - 273

Metadaten dieser Lernressource

courses/studierende/l/s-fachdidaktik-parti-digi/material/m07-2.txt · Zuletzt geändert: 2022/08/23 11:43 von maglie